Besuch der Tagesschau

Im Januar durchbrach die Tagesschau auf Twitter die 500.000 Follower*innen-Mauer und lud 3 ihrer Follower*innen nach Hamburg ein, um die Redaktion und alles drum und dran kennenzulernen.

Ich bewarb mich mit folgender Mail (und schreibe sie hier, weil ich sie so herrlich absurd finde und mich noch immer wundere, dass die Redakteur*innen sagten: „Der muss bekloppt sein, den nehmen wir!“):

Liebe Tagesschau-Online-Redaktion,
liebes Twitter-Team,

ich twittere seit Januar 2009, also seit 6 Jahren. Ich selbst (24 Jahre) komme aus Kehl, der deutschen Grenzstadt zu Straßburg und studiere Politik und Geschichte in Freiburg.

Einladen solltet ihr mich, weil ich mich immer für Neues und Neue Medien interessiert habe. Das mündete in verschiedene Praktika in Lokalzeitungen und 2 Semestern Medien und Informationswesen.

Gerne will ich wissen, wie Nachrichten in der wichtigsten Redaktion Deutschlands (Zumindest gucken euch einfach alle!*) erarbeitet werden und wie sich die Sprecherinnen und Sprecher auf die Sendung vorbereiten. Auch will ich wissen, wie man es schafft, nicht alles zehnmal zu posten, wenn doch jeder Zugriff auf den Twitter-Account hat. Und wie man mit den Pöblern am entspanntesten umgeht.

Bei Twitter hat mich dieses Mittendrinsein immer fasziniert. Die Informationen schneller haben, als viele Mitmenschen und Bilder direkt vom Geschehen aufs Smartphone – auch von der Tagesschau.

Dass sich Twitter selbst mal so weit entwickelt, hätte ich nie gedacht. Alles fing an mit Julia Klöckner und ihrem Ergebnis-Tweet aus der Bundesversammlung an und ging mit grünen Profilbilder und dem Standort „Teheran“ weiter. 2010 spekulierten wir über den Nachfolger von Horst Köhler, ärgerten uns über die Vuvuzelas und machten uns über diesen isländischen Vulkan mit dem unausprechlichen Namen (Eyjakfal…? Ach egal!) lustig, bevor wir unseren Blick auf Chile richteten und die Rettung der Bergleute gebannt verfolgten. Wir wurden von Bergunglücksexperten sofort zu Atomexperten und werteten Fukushima aus und machten uns Gedanken, wer nach Wulff Bundesgrüßaugust werden sollte. Gleichzeitig blieben wir bis tief in die Nacht wach und wollten unbedingt als Erste wissen, ob es Obama nochmal packt. Mit dem #Aufschrei setzen wir zum ersten Mal ein Thema in den Medien selbst und ließen uns von Türken die Tweets zu den Gezi-Protesten übersetzen. Was Snowden sagte, wussten wir eh schon immer. Zuletzt schauten wir gespannt in den Himmel und winkten Alexander Gerst, den wir natürlich auch berieten. Schließlich wurden wir auch zu Raumfahrtexperten über Nacht. Unsere Expertise zu Bergunglücken konnten wir bei der Riesending-Schachthöhle nochmals unter Beweis stellen. Sonntags sitzen wir alle zusammen und gucken den Tatort. Den aus Saarbrücken finden wir doof, den aus Münster toll.

Kurzum: Wir (ich natürlich auch) haben zu allem eine Meinung und Lösung, währen die Redakteure bei euch noch recherchieren. Wir sind also prädestiniert euch kennenzulernen und Input zu liefern.

Außerdem war ich schon lange nicht mehr in Hamburg.

Viele Grüße
@norberthense

*Ich gucke die Nachrichten öfter im ZDF, als in der ARD. Ich hoffe ihr nehmt mir das nicht Übel

Was ein hanebüchener Krempel, oder? Wahnsinn 😀

Die Redaktion fand es aber gut. Wie ich lernen durfte, wurden 30 Leute ausgewählt und die Redaktion hat Punkte vergeben. Dann blieben 3 übrig. Mit mir durften L. (20) und M. (25) 2 weitere Twitterinnen nach Hamburg. Für mich schon die erste Überraschung. Ich wusste nicht, dass die Redaktion gezielt junge Leute auswählen wollte, fand aber, dass wir 3 uns gut ergänzt haben, was den Input anging.

Für mich ging es mit dem Nachtzug nach Hamburg. Beim NDR angekommen traf ich auch schon auf Redaktuerin Anna-Mareike Krause. Als wir schließlich alle beisammen waren und uns kurz vorstellten, ging es auch schon direkt los. Es stand die Teilnahme der Programmkonferenz auf dem Plan. Hier wird „die 12“ geplant, aber auch schon geguckt, wie sich die Nachrichtenlage entwickelt und sich auf die zukünftigen Tagesschau-Sendungen auswirken wird. So kommen Beiträge über den Tag hinzu und andere Nachrichten nehmen ab und fallen auch mal ganz aus den folgenden Sendungen heraus. Schließlich gab es eine umfassende Führung durch das Haus, die in einen Besuch der Regie mündete. Mein Highlight! Ich habe schon viele Making of aus Redaktionen und filmen gesehen, aber das war großes Kino!

Die Sprecherin Susanne Stichler kam aus der Maske, wurde verkabelt und steht 10-15 Minuten vorher im Studio und spricht schonmal alles, was so gesprochen wird. Währenddessen wird sie eingeleuchtet und die Kameras auf ihre Körpergröße angepasst. Dann geht es los: 10, 9, 8,… „Und drauf!“ Während Frau Stichler die Nachrichten vom Prompter abließt hören wir in der Redaktion, wie man die Einspieler etc. vorbereitet. Hinter uns ertönt der Kollege, der die Schalten organisiert: „Frankfurt, hört ihr mich?“ Frankfurt hat ihn schließlich erhöht und es geht an die Börse nach Frankfurt. Auch eine weitere Schalte funktioniert reibungslos.

Die Sendung ist gut gelaufen. Alles hat so geklappt, wie es klappen sollte. Dann öffnet sich die Tür zur Regie und ein Mann schüttelt uns die Hand und stellt sich vor: „Jan Hofer, hallo!“ Er erzählte uns, wie es war als er begann. Auch, dass sich die Leute in Hamburg an ARD-Promis gewöhnt haben und dass er gerne nebenbei auch andere Shows macht als „willkommene Abwechslung“.

L. wollte unbedingt ein Foto mit ihm. Als er weg war, erzählte sie auch warum: Ihre Lokalzeitung erfüllte immer Kindheitswünsche, die man nicht mit Geld kaufen kann. Sie wünschte sich immer wieder ein Treffen mit dem Nachrichtensprecher. Leider wurde sie aber nie als glückliches Kind gelost. Nun war es endlich so weit! 😀

Nach dem Mittagessen in der NDR-Kantine trafen wir uns im Gespräch mit Patrick Uhe. Er ist Projektleiter des Nachrichtenhauses. Hier brachte wir verschiedene Kritikpunkte an der Tagesschau an. Ich bemängelte die fehlende Interaktion auf Twitter und zu wenige Retweets von Kolleg*innen und den eigenen Lokalsendeanstalten. Außerdem würde ich gerne öfter Bild-Teaser wünschen.

Interessant war auch den kurze Einblick der Web Video Unit. Ein neues Projekt der ARD, das kurze Bewegtbild-Clips für Social Media-Kanäle erstellen soll. Bin gespannt, was da noch folgt 🙂

Zum Abschluss besuchten wir noch die Tagesthemen-Konferenz und tauschten uns am Ende des Tages aus. Wir 3 hatten eine ganze menge Spaß und viel gelernt und hoffen nun, dass unsere Punkte Eingang in den Alltag der ARD finden und sind gespannt, wie diese Redaktion sie umsetzen wird.

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