Nach dem Brexit und der Wahl von Trump als Präsidenten der USA werden die Stimmen lauter, dass wir mehr politisch diskutieren müssen. Parteien wird vorgeworfen zu wenig unterscheidbar zu sein. Da ich denke, dass Parteien durchaus unterscheidbar sind, aber das oft wirklich zu wenig deutlich wird, habe ich mir Gedanken gemacht, wie man dies ändern könnte.
Ich stelle immer wieder fest, dass nicht verstanden wird, wie der Bundestag oder andere Parlament und gewählte Gremien funktionieren. Dabei kann man aber nicht immer nur den Menschen zu wenig Interesse vorwerfen, sondern muss sich auch selbst fragen: Sind wir noch up to date?
Der Bundestag hat zwar ein Online-Petitionssystem, aber dort sind nie alle Petitionen gelistet. Bei vielen Petitionen besteht der Bundestag auf Sammlung von Unterschriften auf Papier. Einem Parlament im 21. Jhd. eher unwürdig. Auch kann man in den Bundestag kaum reingucken. Zwar werden Plenardebatten und einzelne Aspekte von Beratungen im Ausschuss gestreamt, aber gerade Ausschusssitzungen sind meist nichtöffentlich. Hier gilt es den Spieß umzudrehen: Ausschüsse sollten immer öffentlich tagen und müssen gut begründen, warum sie es nicht tun. Ihre Arbeit muss gestreamt und Videos online gestellt werden. Ebenso Protokolle. Nicht alles wird so streng geheim sein, wie es manch ein Abgeordneter glauben machen will.
Auch sollte das Parlamentsfernsehen viel mehr Pressekonferenzen, Reden der Regierungsmitglieder etc. übertragen (live!) und zur Verfügung stellen. Ähnlich wie es der Sender C-SPAN in der USA tut. Hier müsste man auch Geld in die Hand nehmen, um das Parlamentsfernsehen stärker in diese Richtung zu entwickeln. Vielleicht lassen sich auch Synergien mit Phoenix erarbeiten?
Auch Redezeiten müssen vielleicht nicht jede Legislatur zu Beginn neu verhandelt werden. Vielleicht findet man eine gute Lösung, die man verbriefen und dauerhaft anwenden kann. Auch muss die Opposition mehr Berücksichtigung finden. Eine Bundestagsdebatte in der fast nur Regierungsmitglieder und Koalitionsfraktionen das Wort ergreifen können ist gähnend langweilig und schreckt die Leute zurecht ab.
Fragestunden im Bundestag sind ebenfalls ein Graus. In Frankreich ist das anders. Dort gibt es einen Plenartag nur für Fragen, die spontan und tagesaktuell kommen. Der Premierminister und seine Kolleg*innen aus dem Kabinett müssen ohne Vorbereitung antworten. Das ist spannend, weil sie von der Opposition deutlich stärker getroffen werden können und auch selbst freier reden und nicht vorher jedes Wort auf die Goldwaage legen, wie hier eindrucksvoll zu sehen ist. Man muss kein Wort verstehen um in diesem 2 Minuten-Video zu sehen, dass da deutlich mehr Pfeffer in der Debatte ist.
In Österreich gibt es ebenfalls eine gute Idee. Hier wird die „Black Box“ Europa geöffnet. Wir haben ja allenthalben das Problem, dass es über die Arbeit im Europäischen Parlament noch weniger Wissen gibt, als über die Arbeit der nationalen Parlamente. Eine Lösung könnte sich im Nationalrat der Republik Österreich befinden. Hier haben die Fraktionen in § 19 des Gesetzes über die Geschäftsordnung des Parlamentes die Möglichkeit zu bestimmten Debatten ihre Europaabgeordneten als Redner*innen zu nominieren. Darüber sollten wir in Deutschland ebenfalls nachdenken.
Nur diese kleinen Ideen könnten den deutschen Parlamentarismus deutlich beleben und für die Zuschauer*innen deutlich spannender machen. Politik macht Spaß, aber unsere Parlamente verkaufen diesen Spaß einfach nicht, obwohl sie es könnten, ohne die „Würde des Hohen Hauses“ zu verletzen. Sie sollten sich ein Herz fassen!