Nicht erst seit gestern führt die Partei einen Flügelkampf. Diesmal ist der Streit aber eskaliert. Auslöser war ein Foto einer Frau, die in Dresden sich mit blanker Brust bei Arthur Harris bedankt. Dies geschah im Rahmen einer Gegendemonstration zu den regelmäßigen Aufmärschen der Nazis in Dresden.
Ich finde diese Gegendemonstrationen wichtig und richtig. Schließlich handelt es sich in Dresden um den größten Nazi-Aufmarsch Europas, bei dem Nazionalsozialist*innen aus zahlreichen Staaten wie Österreich, Tschechien, Polen oder Frankreich teilnehmen. Ein Engagement tut Not.
Die Bombadierung Dresdens ist militär(!)historisch nicht unumstritten. Nicht zu unrecht. Dennoch ist es falsch, wenn man die Dresdner*innen zu Opfern der Allierten macht – sie waren Opfer der Nazis. Hierzu empfehle ich den sehr guten Kommentar von Esther Schapira (Hessischer Rundfunk/Tagesschau): „Die Bombadierung war grausam und kostete bis zu 25.000 Dresdnern das Leben. Sie sind, so wie insgesamt 80 Millionen Menschen, Opfer der Nazi-Barberei. Auch wenn viel zu viele das bis heute nicht wahrhaben wollen.“
Bei der Frau handelt es sich mutmaßlich um Anne Helm. Aufgrund dieser Tatsache wollten viele Pirat*innen ein Statement des Bundesvorstandes sehen, der die Aktion kritisieren sollte. Ich muss ehrlich sagen, dass mich diese Forderung verwunderte. Völlig unabhängig davon, ob das nun Anne ist oder nicht. Ich hätte sicher nicht so gehandelt, wie die Frau, aber ich sehe keine Widerspruch zu unserem Programm. Ich sehe auch keinen Verstoß gegen die FdGO, wie ihn einige befürchten.
Ich möchte hier auch einwerfen, dass ich mir auch mehr Empathie des linken Flügels für den liberalen Flügel wünsche. Es gibt dort nicht nur Sexisten und Leute mit strangem Rechts-/Politikverständnis, sondern auch viele Pirat*innen, die ich sehr schätze und die für uns alle ein Gewinn darstellen.
Ich finde, dass wir beide Flügel brauchen. Der liberale Flügel macht es mir aber, zugegeben, sehr schwer. Ich habe das Gefühl, dass er politisch nicht arbeitet, sondern nur den Untergang und die Entwicklung zu einer Linke 2.0 befürchtet. Der liberale Flügel hat sich ja mit dem Frankfurter Kollegium einen Rahmen gegeben. Das finde ich gar nicht falsch, auch wenn viele von Vereinsmeierei sprechen. Allerdings kommt inhaltlich wenig nichts. Dieses inhaltliche Schweigen erhöht auch das Gefühl, dass der linke Flügel die Meinungsführerschaft übernommen hätte.
Außerdem finde ich, dass wir schauen müssen, wie wir die Flügel auf Parteilisten repräsentieren. Ja, wir brauchen hier ein genauso ausgewogenes Verhältnis, wie es andere Parteien praktizieren. Seien wir doch mal ehrlich: Wir liegen doch thematisch gar nicht weit auseinander. Ich habe (subjektiv!) aber das Gefühl, dass es dem linken Flügel eher gelingt unsere Kernthemen mit anderen Themen zu verknüpfen. Da ist der Wert Freiheit, der sich auch in der Sozialpolitik (BGE) oder Asylpolitik (Mittelmeer) niederschlagen muss. Da ist der Kampf für eine vielfältige Gesellschaft (Migration/Queer), der natürlich auch gegen Rechts (Antifaschismus) geführt werden muss. Daa ist das Engagement gegen Überwachung, dessen Ziel am Ende natürlich die Auflösung der Geheimdienste (vor allem Verfassungsschutz!) entgegenstehen muss.
Ich bin aber auch der Überzeugung, dass diese Verknüpfungen von jedem liberalen Mitglied unterschrieben werden können. Und wenn ich schaue, wie die Ergebnisse sind, wenn es mal wieder einen Wahl-o-Maten gibt, sehe ich, dass alle gleich bei +/- 80 Prozent Piraten liegen. Daher frage ich mich auch manchmal: Woher kommen diese Flügelkämpfe?